Anfang 1998 starb überraschend mein Nachbar Franz Danner. Seitens Dieter Sigg als damaligem Pfarrgemeinderatsvorsitzenden wurde ich gefragt, ob nicht einen Teil des «Erbes» von Franz übernehmen wolle, nämlich die Leitung des Bildungswerks. Ich habe Dieter damals gesagt, dass ich schon ein paar Ideen hätte. Und so hätte ich am 24. Mai 1998 offiziell als neuer Leiter des Bildungswerks vorgestellt werden sollen. Das ging zwar vergessen, aber davon sollte man sich nicht aufhalten lassen.
Das Bildungswerk ist eine Art Arbeitskreis der Pfarrei, untersteht aber fachlich der Kontrolle des Erzbistums. Der Auftrag ist, Angebote für Erwachsenenbildung zu machen. Da die Volkshochschule bei uns sehr aktiv ist, erübrigt sich das Angebot an Sprach-, Computer- oder ähnlichen Kursen. Auf der anderen Seite gibt es aber trotzdem noch genügend Themen, die man im Rahmen eines Vortrags aufgreifen kann. Dazu gehören insbesondere Themen mit religiösem oder lokalem Bezug.
Was mich auch nach 25 Jahren noch immer verwundert, das ist die geringe Distanz zwischen Idee und Umsetzung: Da hat man eine Idee im Kopf, und mit zum Teil überraschend wenig Aufwand wird daraus eine spannende Veranstaltung des Bildungswerks. Um nur ein Beispiel zu nennen, aus der persönlichen Idee, einen Vortrag mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel zu machen, resultiert ein Anschreiben des Leiters des Bildungswerks; und da Erwin Teufel zusagt, folgt dann der überaus spannende Vortrag «Europa in eine bessere Verfassung bringen».
Auch immer wieder überraschend, das ist die Bereitschaft von Referenten, ihr Wissen mit uns zu teilen. Der Vortrag von Pius Segmüller als vormaliger Kommandant der päpstlichen Schweizergarde war natürlich ebenfalls ein Highlight meiner Arbeit; bemerkenswert dabei auch, dass Pius Segmüller vollkommen unkompliziert zum Besuch in Jestetten bereit gewesen ist.
Der Vortrag von Pius Segmüller hat noch eine weitere, erwähnenswerte Auswirkung gehabt. Im Umfeld des Vortrags ist auch eine Anfrage seitens der Schaffhauser Nachrichten gekommen; es ist ja nicht verwunderlich, dass die Schweizergarde auch in Schaffhausen interessiert. Und zwar bin ich von einem Dr. Jean-Claude Goldschmid kontaktiert worden. Nun, man muss keinen Doktortitel haben, um einen interessanten Vortrag zu halten, aber der Träger des Titels hat sich längere Zeit intensiv mit einem Thema beschäftigt. Also schaut man mal nach, mit was sich dieser Dr. Goldschmid beschäftigt hat: Er hat über Silja Walter promoviert! Die Ordensschwester und Schriftstellerin Silja Walter ist natürlich ein Thema für das Bildungswerk, und so hat sich aus dem Vortrag von Pius Segmüller der Vortrag über Silja Walter ergeben.
Ein wichtiger Themenbereich war das keltische Oppidum von Altenburg-Rheinau. Zig Vorträge und Führungen habe ich da organisiert, auch Pressearbeit für das grenzüberschreitenden Prospektionsprojekt geleistet und Kontakte hergestellt. Höhepunkt war die grosse Veranstaltung zum Tag des Denkmals im Jahr 2008, wo auch die Altenburger Bronzefiguren Stierkopf und Eber nachgegossen worden sind. Ohne diesen Bronzeguss hätte die Veranstaltung nie ihre volle Wirkung entfaltet, und der Bronzeguss war nur deshalb möglich, weil ich mit dem Bildungswerk eine Finanzierungszusage dafür gemacht hatte.
Weniger spektakulär, aber in vielen archäologischen Publikationen weit verbreitet, das ist ein Foto von der archäologischen Prospektion auf einem Feld im Schwaben. Bei feucht-windiger Witterung stapfen da zwei Männer über den Acker: Ich hätte nie gedacht, dass dieses Foto von Patrick Nagy (Leiter des Prospektionsprojekts, Kantonsarchäologie Zürich) und mir immer wieder publiziert wird; auch wenn die meisten den Bezug nicht kennen, es ist das Bildungswerk Jestetten, das mitgewirkt hat.
Mit dem Namen Siegfried Fricker verbindet sich ein grosser Triumph und in einem gewissen Sinn auch eine Niederlage. Was macht man, wenn man mehr über ein Thema wissen will? Der Leiter des Bildungswerks organisiert da die eigene Fortbildungsveranstaltung, und das war in diesem Fall die mit viel Unterstützung durch Radegund Fricker organisierte Siegfried-Fricker-Ausstellung im Jahr 2006. Es war der Triumph, diese tolle Ausstellung mit aufgegleist und Siegfried Fricker aus dem passiven Gedächtnis der Gemeinde in die aktive Diskussion gebracht zu haben. Es war aber auch das Gefühl der Niederlage, trotz der Ausstellung das Werk und das Wesen Siegfried Frickers nicht einmal ansatzweise erfassen zu können. Und noch immer verblüfft mich Siegfried Fricker, der in einem gewissen Sinn ein Inspirator meiner Arbeit geworden ist.
Ein Thema, das nach wie vor ansteht, das ist der Aufbau einer «historischen Sammlung». Es gibt viele Werke von Jestetter Künstlern, die aufbewahrt und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollten. Dazu gehören aber auch viele andere Objekte, Dokumente, Fotos usw.; beispielsweise eine Fahnenmedaille, die wohl einst die Fahne des Jestetter Militärvereins geschmückt hat. Vielleicht münden die Bestrebungen in die Gründung eines Trägervereins unter dem Dach der Gemeinde, aber der Weg dorthin ist noch weit.
Am 24. Mai 2023 war ich seit 25 Jahren Leiter des Bildungswerks. Es war wie die Einführung 25 Jahre davor ein «stilles Ereignis». Ich habe mich an die Ereignisse dieses Vierteljahrhunderts erinnert und an Franz Danner denkend mich für dessen interessantes Erbe bedankt.