Wilhelm Hug (1880 – 1966) wird gelegentlich als Ehrenbürger von Jestetten bezeichnet, allerdings sind die Umstände der Ernennung Hugs zum Ehrenbürger unklar. So nennt Wikipedia Hug auch „nur“ unter „Persönlichkeiten, die mit der Gemeinde in Verbindung stehen“ (abgerufen am 10. September 2019). Hier soll nun versucht werden, die unterschiedlichen Sichten darzustellen.
Zunächst zur Person von Wilhelm Hug, der 1923 Dienstvorstand des Forstamtes Jestetten wurde. 1932 wurde er wegen seiner politischen Tätigkeit in der NSDAP in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der große Karrieresprung kam 1933, als Hug Landesforstmeister von Baden wurde.
Mit dem Karrieresprung kamen auch Ehrungen, so berichtete das „Tagblatt vom Oberrhein“ am 21. Juni 1933 aus Grießen:
In seiner ersten Sitzung hat der neue Gemeinderat beschlossen, Herrn Landesforstmeister Wilhelm Hug das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Grießen anzutragen. Ferner wurde die Umbenennung der Schaffhauser- in Adolf Hitler-Straße beschlossen.
Dass die Verhältnisse in Jestetten nicht so klar sind, das zeigte sich spätestens nach dem Tod Hugs am 12. Oktober 1966. Die Jestetter Gemeindeverwaltung suchte im Archiv, konnte aber keine Belege für die Ernennung Hugs zum Ehrenbürger finden. Bürgermeister Holzscheiter nahm wegen einer Terminüberschneidung nicht an der Beerdigung am 14. Oktober 1966 teil, er hatte aber zuvor einen Kranz auf dem Friedhof abgegeben. Der Text auf der Schleife des Kranzes lautete „Zum letzten Gruss und Dank – Gemeinde Jestetten“ (Aktenvermerk vom 7. November 1966).
Im Jestetter Rathaus glaubte der Kassenverwalter Danner, sich an die Ereignisse im Jahr 1934 zu erinnern. In einem Aktenvermerk vom 27. Oktober 1966 spricht Danner klar von einer Ernennung als Ehrenbürger. Es sei damals eine „künstlerisch gestaltete Ehrenurkunde“ ausgestellt worden, und gemäß seiner Erinnerung habe diese Urkunde folgenden Inhalt gehabt:
Wir, Bürgermeister und Rat der badischen Gemeinde Jestetten ernennen den Landesforstmeister
W i l h e l m H u g
zum Ehrenbürger unserer Gemeinde.
Die Ernennung erfolgt in Würdigung der Verdienste um den nationalen Wiederaufbau Oberbadens.
Diese Urkunde sei „von Bürgermeister M.Guthier und den Gemeinderäten Friedrich Meister, Oskar Stadler und Josef Wipf“ unterzeichnet und dann vom Bürgermeister dem Geehrten in Karlsruhe übergeben worden. Da die Kopie der Urkunde nicht mehr im Archiv auffindbar war, vermutete die Verwaltung, dass diese Kopie 1945 oder danach aus dem Archiv entfernt worden sei.
Auch wenn sich der Kassenverwalter sehr genau zu erinnern glaubte, muss man das doch kritisch hinterfragen; denn in den 32 Jahren seit 1934 können sich einige Irrtümer in die Erinnerung einschleichen.
Zunächst einmal ist unklar, warum Gemeinderäte diese Urkunde unterschreiben sollten; typisch wären Bürgermeister und Gemeindeschreiber. Und die Verleihung der Ehrenbürgerschaft hätte auch an einigen Stellen Kosten verursacht: Die genannte Ehrenurkunde, ein Geschenk für den Geehrten, Fahrtkosten des Bürgermeisters usw.; alles hätte bezahlt werden müssen, und diese Kosten müssten auch belegt sein.
Dies sind zunächst nur Indizien, dass die Erinnerung trügt. Zweifel an einer Ernennung Hugs zum Ehrenbürger bringt aber auch ein Brief des badischen Innenministers vom 17. April 1934, den die Gemeinde Jestetten am 26. April empfangen hat.
Der Herr Reichsminister des Innern hat entsprechend einem Wunsch des Stellvertreters des Führers darum gebeten, Sorge zu tragen, dass Verleihungen weiterer Ehrenbürgerschaften an Inhaber öffentlicher Ämter in Reich, Staat unterbleiben und dass Strassenum- und Neubenennungen nicht mehr stattfinden.
Im gleichen Jahr wie die vermeintliche Ehrung von hätte stattfinden sollen ist das Verbot solcher Ehrungen ausgesprochen worden!
Dies führt zur Hypothese, dass Jestetten nie Wilhelm Hug zum Ehrenbürger ernannt hat. Vielleicht gab es Anfang 1934 konkrete Überlegungen dazu, vielleicht wurde ein Entwurf einer Ehrenurkunde gemacht, aber die Ernennung wurde dann durch die Anweisung vom 17. April verhindert. Es wäre auch möglich, dass man Wilhelm Hug darüber informiert hat, dass man ihn gerne als Ehrenbürger gesehen hätte. Diese Hypothese würde erklären, warum man Hug als Ehrenbürger bezeichnet hat, im Archiv aber keine Unterlagen zu finden waren.
Auch bei der Bewertung der Person von Wilhelm Hug gibt es unterschiedliche Sichtweisen. In seinem Aktenvermerk von 1966 erwähnt Bürgermeister Holzscheiter den Einsatz Hugs gegen die Aufhebung des Zollausschlussgebiets; glaubt man Bürgermeister Holzscheiter, so war Hug vor allem eine Art „gutmütiger Vereinsmeier“.
Schaut man sich dies aber genauer an, so erscheinen solche Charakterisierungen als nicht unbedingt glaubwürdig. Die genannten „Verdienste um den nationalen Wiederaufbau Oberbadens“ haben nicht viel mit Jestetten zu tun. Auch der Einsatz für den von Holzscheiter ach so geliebten Zollausschluss ist halt typisch für diktatorische Systeme. Und dass ein hoher Funktionär der NSDAP tatsächlich so unpolitisch gewesen ist, das ist für die Endphase der Weimarer Republik doch unglaubwürdig.
Das Tagblatt vom Oberrhein vom 7. April 1932 schreibt anlässlich der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand:
H. ist bekanntlich einer der wildesten nationalsozialistischen Agitatoren. Mag er es sein. Aber dann kann er kein Beamter des Staates sein, den er haßt und bekämpft.
Ähnlich hatte die „Schaffhauser Zeitung“ am 5. April 1932 geschrieben. Im Artikel wird erwähnt, dass Hug „die nationalsozialistische Bewegung im Zollausschlußgebiet und darüber hinaus“ geleitet habe. Die politische Betätigung Hugs wird als „heftigste Agitation“ charakterisiert.
Zusammenfassung:
Ehrenbürgerschaft und auch die bisherige Charakterisierung der Person Wilhelm Hug erscheinen fragwürdig.
Konrad Schlude