Konservativ – Bemerkung zur „Gespensterdiskussion“

Es wird vielleicht einige geben, die mich als konservativ bezeichnen; selber lehne ich diese Charakterisierung für mich aber ab. Politik ist die Gestaltung der Zukunft, dies passiert aber nicht im luftleeren Raum, sondern basiert auf Gegenwart und Vergangenheit. In die Schublade „konservativ“ lasse ich mich aber nicht gerne stecken. Diesen Gedanken habe ich im folgenden Leserbrief an die FAZ formuliert, Basis war das Gespräch mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Ahlhaus, abgedruckt in der FAZ vom 16.9.2010.

Es war im Jahr 1987, ein Bekannter schleppte mich auf eine Tagung nach Stuttgart mit. Bei dieser Tagung ging es darum, dass sich sogenannte Konservative in der Union darüber Gedanken machen wollten, wie konservatives Gedankengut in die Parteipolitik eingebracht werden könnte. Resultat war ein rechtes Wirrwarr von Gedanken, was denn alles konservativ sei. Jeder hatte seine eigene Meinung dazu, und so etwas wie einen Konsens hat es nicht gegeben.

Daran fühle ich mich angesichts der aktuellen Diskussion erinnert, wieder wird nach Möglichkeiten des Einflusses gesucht, und wieder ins unklar, was man denn darunter zu verstehen hat. So gesehen hat Herr Ahlhaus die richtige Bemerkung gemacht, es ist eine „Gespensterdiskussion“. Das Konservieren/Bewahren ist zwar wichtig in der Politik, es ist aber nicht alles.

Nehmen wir zum Vergleich den Denkmalschutz. Ohne das Bewahrende des Denkmalschutzes wäre die historische Bausubstanz innerhalb weniger Jahre vollkommen zerstört, was verhindert werden muss. Würde man aber im Gegenzug keinerlei Veränderung zulassen, so hätte man zum Schluss auch nur ein totes Museum. Wer würde beispielsweise gerne in einem Haus ohne Heizung und ohne Bad wohnen, nur weil das Gebäude einst so gebaut worden ist?

Die Welt ändert sich ständig, und so muss auch die Politik immer wieder auf neue Herausforderungen die passenden Antworten finden. Wer sich nicht anpasst, der geht im Strudel der Zeit unter; wer aber seine Basis aufgibt, der wird weg gespült. Es geht also darum, eine Gratwanderung zu machen: Was kann/soll/darf man bewahren, was muss man aufgeben oder weiter entwickeln? Es ist die große Kunst, hier die passenden Antworten zu geben.

Aus meiner persönlichen Sicht habe ich natürlich meine Ausgangsbasis, ein christliches Menschenbild und doch eher eine bewahren wollende Grundstimmung; man sollte nicht immer alles über den Haufen werden. Aber da die Erfolgsrezepte von gestern nicht unbedingt die richtigen Antworten auf die Probleme von heute, morgen und übermorgen sind, muss man auch einmal loslassen können.


Konrad Schlude