Die Eisenbahn gilt als ein sehr sicheres Verkehrsmittel. Erreicht wird diese Sicherheit durch eine Vielzahl von Einrichtungen. So sind beispielsweise Bahnstrecken in Abschnitte, Blöcke unterteilt, und ein Zug kann erst dann in einen Block einfahren, wenn kein anderer Zug mehr im Block ist. Einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit leisten insbesondere Stellwerke, mit denen Weichen und Signale gesteuert werden. Die Funktion konnte man bis zur Außerdienststellung des mechanischen Stellwerks vom Typ „Bruchsal J“ sehr gut am Jestetter Bahnhof betrachten.
Am Stellwerk gibt eine Vielzahl von Hebeln, die zur Abfertigung von Zügen in der richtigen Reihenfolge bedient werden mussten. In einem ersten Schritt wurde die Fahrstraße festgelegt, d.h. von woher ein Zug kommt und wohin er fahren soll. Erst danach war es möglich, die der gewählten Fahrstraße entsprechenden Weichen zu stellen; und wenn die Weichen korrekt gestellt waren, konnte das Signal gegeben werden, so dass der Zug fahren konnte. Das Stellwerk stellte auch sicher, dass es keine Inkonsistenzen geben konnte. So war es unmöglich, die Weichen nachträglich umzustellen, so lange das Signal gestellt war.
Heutzutage würden fände die Funktion in einem kleinen elektronischen Schaltkreis Platz, im mechanischen Jestetter Stellwerk wurde sie aber gemäß den damaligen Möglichkeiten „in Metall implementiert“. Das Wort „Hardware“ hat hier seine besondere Bedeutung, wird doch ein Gewicht von mehr als einer Tonne angegeben. Da die Weichen und Signale über Drahtseilzüge angesteuert wurden, erforderte das Stellen auch einen gewissen Kraftaufwand. Auch wenn die Technik veraltet ist, das Jestetter Stellwerk stellt ein faszinierendes Beispiel für frühe Steuerungstechnik dar, die über lange Jahrzehnte gut funktioniert und dafür gesorgt hat, dass der Zugverkehr im Jestetter Bahnhof ordnungsgemäß abgefertigt werden konnte.
Unser Stellwerk Bruchsal J stammt aus dem Jahr 1914, es wird also 100 Jahre alt. Die Zukunft ist aber ungewiss. Noch immer steht das Stellwerk an seinem angestammten Platz im Anbau des ehemaligen Bahnhofgebäudes, als Teil der Gesamtkomposition steht das Stellwerk auch unter Denkmalschutz. Aber als im Jahr 2002 die Steuerung des Zugverkehrs zentralisiert worden ist, verlor das Stellwerk auch seine Funktion. Die Drahtseile zu Weichen und Signalen sind gekappt, der Anbau setzt immer mehr Rost an, Fensterscheiben werden mutwillig eingeworfen. Da niemand mehr an einer Pflege interessiert ist, werden Schäden vielleicht noch notdürftig ausgebessert, aber nicht mehr repariert. Unser Bruchsal J ist eines der wenigen Stellwerke, die noch an ihrem angestammten Ort stehen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses interessante Relikt der Technikgeschichte wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt.
Literatur:
Erich Preuß:
So funktionieren Eisenbahn-Stellwerke
Transpress, 2007
Konrad Schlude