Von Tomaten und anderen Fehlschlägen

Tomaten

In der Geschichte gibt es viele Beispiele dafür, wie sich aus einem an sich positiven Anliegen ein Zustand entwickelt hat, den man gar nicht wollte. Die hehren Ziele der Französischen Revolution mündeten in den «Großen Terror» (la Grande Terreur) mit mehreren 10’000 Todesopfern.

In den 1960er Jahren wollte die US-Regierung mehr Verdienstmöglichkeiten für US-Bürger schaffen, weshalb der Einsatz von Mexikanern als Helfer bei der Tomatenernte eingeschränkt wurde. Die Auswirkungen waren bemerkenswert:

  • Neu entwickelte Erntemaschinen übernahmen die Erntearbeit.
  • Es mussten neue Tomatensorten angebaut werden. Die schmeckten zwar nicht mehr so gut, waren aber für eine maschinelle Ernte geeignet.
  • Die Kleinbetriebe konnten sich die teuren Erntemaschinen nicht leisten und mussten aufgeben.

Es wurde also vieles erreicht, aber nicht das, was ursprünglich gewünscht war.

Auch bei Änderungswünschen an einer Firmenkultur kommt nicht immer das gewünschte Resultat heraus. Oft ändert sich gar nichts, dies im Sinne vom berühmten Zitat von Peter Drucker: «Culture eats strategy for breakfast». Und manchmal entwickelt sich die Sache in eine ganz andere Richtung.

Da kommt der neue Firmenchef und startet ein grosses Programm zu einer neuen Firmenkultur, dem «Spirit» der Firma. Unter anderem werden Plakate aufgehängt, die sich gegen «Bullshit» und gegen «Politics» wenden. Ansonsten bleibt die Beschreibung, was denn dieser «Spirit» sein soll, recht oberflächlich und unpräzise.

Überraschenderweise hat das aber doch Auswirkungen. Manche meinen tatsächlich, sie hätten jetzt die Weisheit gepachtet. Und wie bei der Französischen Revolution wird aus dem vermeintlichen Besitz einer höheren Wahrheit eine Tyrannei. Vom Standpunkt der eingebildeten Wahrheit kann man einem Mitarbeiter irgendwelche Vorwürfe machen; begründen muss man diese Vorwürfe ja nicht, da diese «Feedback» seien; offensichtlich sei der Beschuldigte unfähig, mit Feedback umzugehen. Und fordert der Mitarbeiter doch eine Begründung, so führt das zu einem Verweis, da man mit der Forderung ja die eingebildete Wahrheit des anderen hinterfragt und diesen auch noch angreift. Ferner wird dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass seine Meinung sowieso nicht zählt.

Nun, wir leben nicht mehr im Zeitalter der Französischen Revolution, niemand kann uns den Kopf abhauen; die DDR mit ihrer Todesgrenze ist auch längst untergegangen, wir können dem alten Firmenmotto „Unlocking the potential.“ folgen, unser Potential befreien und einfach gehen, und zwar mit erhobenem Haupt. Und die unreifen Tomaten bleiben einfach zurück.