Die Pforte und der Bezug zu Jestetten

Details der Pforte der Klosterbibliothek St. Gallen.

Stiftsbezirk St. Gallen: Weltkulturerbe voller barocker Pracht. Dass es aber neben der Stiftskirche und der Stiftsbibliothek weitere bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten gibt, das wird oft übersehen.

Betrachten wir die Pforte zur Stiftsbibliothek. Über der Türe steht die Jahreszahl 1955, links und rechts davon befindet sich jeweils ein Mönchsrelief in Stein, und in einem der beiden hölzernen Reliefs der Türe findet sich der Name des Bildhauers: (August) Rausch.

August Rausch lebte von 1919 bis 2002. In der Nähe dieses Portals steht ein weiteres Werk von Rausch, der Otmarbrunnen von 1959.

Die Reliefs in Stein und in Holz zeigen unter anderem, dass die religiöse Kunst der Moderne durchaus bemerkenswerte Stile für sich gefunden hat. Und wenn man sich vom barocken Glanz löst, so erkennt man, dass wir das viel zu lange ignoriert haben.

In der Ausstellungsbroschüre „9 Ostschweizer Bildhauer vom VSBS“ schreibt Dieter Meile 1992 über August Rausch:

Alle Besucher des Stiftsbezirks kennen den Gallusbrunnen, dessen Schöpfer wohl weniger. August Rausch greift in seiner vereinfachenden Formensprache auf die Kunst der Romantik zurück, in der Absicht, in den entmaterialisierten Formen den Sinngehalt vermehrt herauszustellen. Dadurch wird er zum Offenbarer transzendenter Werte.

Da unterläuft Dieter Meile aber ein Fehler, der Gallusbrunnen ist vom Bildhauer Rudolf Seitter 1936 erstellt worden, August Rausch hat den Otmarbrunnen 1959 gemacht. Aber auch wenn der Gallusbrunnen prominenter auf dem freien Platz als der der Otmarbrunnen im Innenhof steht, so wird auch der ältere der beiden Brunnen ebenfalls oft übersehen. Daher bestätigt die fehlerhafte Einleitung von Dieter Meile, dass wir uns zu wenig mit der Kunst dieser Zeit beschäftigen.

Um es mit den Worten von August Rausch zu beschreiben: „Was verbirgt sich da im Nebel?“ (Artikel „Die Bildhauer“ in der genannten Ausstellungsbroschüre)

Der Bezug zu Jestetten ergibt sich dadurch, dass diese Pforte der Anlass für das Bildungswerk Jestetten gewesen ist, sich dem weitestgehend vergessenen Jestetter Bildhauer Siegfried Fricker (1907-1976) zu widmen. Alles, was das Bildungswerk Jestetten zu Siegfried Fricker gemacht hat, basiert auf der Betrachtung der Pforte in St. Gallen.

Siegfried Fricker und August Rausch verbindet unter anderem, dass viel zu wenig über sie bekannt ist. Daher sei hier eine Kurzbeschreibung von August Rausch eingefügt:

Am 29. November 1919 erblickte August Rausch in Eggersriet (SG) das Licht der Welt. Nach der Schulzeit absolvierte er eine Lehre als Bildhauer und besuchte in St. Gallen die Kunstgewerbeschule. Sein späteres Studium galt besonders der Profanbildhauerei und auf seinen diversen Studienreisen befasste er sich hauptsächlich mit Architekturdenkmälern und Wandmalereien. Dank dem vielseitigen Wissen wurden ihm verschiedene bedeutende Aufgaben zugetragen. So war er beauftragt, Kirchen und öffentliche Gebäude zu renovieren und zu verschönern. Zu diesen Gebäuden zählen unter anderem das Kloster St. Gallen, die Laurenzenkirche, Muolen und Berschis. Auch hat er diverse Brunnen und Innenhöfe neu gestaltet oder renoviert.
Neben diesen schönen Arbeiten war August Rausch während zwanzig Jahren als Lehrer für Zeichnen und Gestaltung tätig.

aus: 9 OSTSCHWEIZER BILDHAUER VOM VSBS; Amt für Kulturpflege des Kantons St. Gallen, 1992