O Gutenstein, mein Gutenstein!
Wie trefflich schmeckt in dir der Wein
Und gutes Bier daneben;
Dazu der Wirth so billig ist,
Die Rechnung nach dem Beutel mißt,
Drum Gutenstein soll leben!
Gleich hinter dem Eisenwerk Thiergarten betreten wir die neue von
Laiz bis hieher führende Donauthalstraße und wandern auf ihr,
die eben und glatt wie ein Tanzboden uns durch eine Reihe kleiner Tunnels
führt, das Thal abwärts. Rechts hart an der Straße wälzt
sich die Donau in stürmischer Hast über Steine und Felsentrümmer.
Links ragen die nackten Scheitel der Felsenklippen drohend über unsere
Häupter herein. Dann beginnt allmälig das Gebirge sich zu senken
und die Felsen treten fast nur am Fuße des Berges aus demselben hervor,
wie theilweise schon zwischen Neidingen und Thiergarten, statt wie sonst
im obern Thale hoch oben den Rand des Gebirges zu bekränzen. Auch
verlieren sie hier schon etwas von ihrer kolossalen Höhe, obwohl sie
noch immer groß genug sind, diejenigen Reisenden in Staunen zu setzen,
die eine solche Gebirgspartie noch nie durchwandert haben. In einem dieser
Felsen, nahe an der Straße, befindet sich eine tief und hochgewölbte
Grotte, Heiden- oder Teufelsloch genannt, an deren Eingang noch Reste von
Mauerwerk gefunden werden. Auch die Straßenarbeiter wollten ähnliche
Mauerreste unterhalb dieser Höhle gefunden haben, was immerhin darauf
schließen läßt, daß hier eine Art Befestigung oder
Zufluchtsort vor einem Feinde gewesen sein mag. Es sollen auch in den letzten
Franzosenkriegen wirklich die Einwohner von Gutenstein einmal 14 Tage lang
hier Zuflucht gefunden haben. Jenseits der Donau erblicken wir die zu dem
Thiergarten gehörigen Fürstenbergischen sogen. Höfe mit
ihren alterthümlichen Wohn- und Oekonomiegebäuden. Diese Maierei
soll schon im 13. Jahrhundert in Urkunden vorkommen und es läßt
sich vermuthen, daß dieselbe zu Falkenstein gehört habe.
Unsere Wanderung geht immer der Donau entlang, die hier wieder eine südöstliche Richtung einschlägt und dann an der sogen. Sauhalde anprallend plötzlich eine nördliche Richtung nimmt. Haben wir diese Biegung umgangen, so erblicken wir zuerst das Schlößchen Gutenstein, das mit seinen 3 Stockwerken malerisch auf seinem nicht allzuhohen Felsen, dessen Fuß die Donau bespült, dasteht. Im Innern hat dieses Schloß nichts Merkwürdiges aufzuweisen und es geht so ziemlich seinem Verfall entgegen. Jetzt wird es noch von einem Förster bewohnt, es wird jedoch nicht mehr viel darauf verwendet werden.
Endlich gelangen wir über die hölzerne Brücke, die auf das rechte Ufer der Donau führt, in das freundliche Pfarrdorf Gutenstein, das zum größten Theil an einen Bergabhang hingebaut ist. Ein geräumiges Gasthaus mit Bierbrauerei "zur Sonne", sowie eine Bierschenke sind bereit, dem Reisenden willkommene Labung zu bieten und ihn mit freundlicher Zuvorkommenheit zu bedienen.
Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf 420, die sich größtentheils vom Feldbau nähren; auch legen sich einige derselben auf das Einsammeln und Einkaufen von Wachholderbeeren, die sie sodann zu Latwerge bereiten und nach der Schweiz verkaufen; ebenso wird von ihnen ein Honighandel ebendahin betrieben. Noch vor wenigen Jahren hatten mehrere Einwohner Schneckengärten angelegt, aus welchen die Schnecken sogar bis Wien versandt wurden. Warum sie diesen Erwerbszweig aufgaben, vermag ich nicht zu sagen.
Merkwürdigkeiten weiß ich vom Dorf Gutenstein auch keine mitzutheilen. Gutenstein gegenüber auf dem linken Donauufer, da, wo die Straße weiter zu führen, ganz nahe bei einander 3 Felsen durchsprengt sind, stund einst auf dem mittleren Felsen die alte Veste Burgfelden. Dieselbe soll 1220 von den Grafen von Freiburg erbaut worden sein, um die schwierig gewordenen Bewohner Gutensteins im Zaum zu halten. Später kamen die Herren von Ramsperg in deren Besitz. Wäre es nicht wohl möglich, daß diesen Herren ihre alte Stammburg bei Neidingen gar zu unheimlich und unbequem geworden sei und sie deßhalb diese Burg auf einer lichteren Stelle des Thales an sich kauften? Daß das Geschlecht der Edlen von Ramsperg wirklich existirte und schon in frühern Jahrhunderten blühte, geht daraus hervor, daß schon in der Mitte des zehnten Jahrhunderts ein Abt Marquard von Ramsperg im alten Kloster Beuron vorkommt. Auch hat einer dieser Edlen in die Kirche in Gutenstein einen ewigen Jahrestag gestiftet. Noch heute führen mehrere Einwohner Gutensteins den Geschlechtsnamen Ramsperger, die vielleicht Nachkommen jener Edlen von Ramsperg sind, nachdem diese durch Zeit und Umstände ihren Adelsbrief verloren haben.
Eine halbe Viertelstunde unterhalb Gutensteins bei dem Dietfurter Steigle hat nach einer Volkssage ein verwünschter Geist, "Hudelmann" genannt, seinen Wohnsitz, der besonders den Fischern, die sich bei Nacht an diese Stelle wagen, sehr lästig werden soll, indem er sich bald in dieser, bald in jener Gestalt auf den Kranz des Nachens niederläßt und die Fische, oft auch den Fischer selbst verjagt. Eine zweite Stelle, die dieser Geist ebenfalls zum Sitz sich erkoren haben soll, ist zwischen Thiergarten und Unterschmeien bei der sogenannten Eulengrube, einem Erdfall, der der Sage nach bis zur Tiefe der Donau hinabreichen soll. Nahe bei diesem Dietfurter Steigle soll 1825 ein Vater zwei seiner eigenen Kinder ersäuft haben, und mit dem dritten spurlos verschwunden sein.
Als Beitrag zu der Geschichte Gutensteins möge Folgendes dienen. In früheren Jahrhunderten gehörte Gutenstein einem gleichnamigen Adel; nach diesem den Wilden von Wildenstein. Kaiser Albrecht von Oestreich kaufte Anfang des 14. Jahrhunderts nebst vielen Schlössern und Herrschaften auch die Veste und Herrschaft Gutenstein von dem Wildenstein und belehnte wahrscheinlich damit die Edlen von Ramsperg, die Gutenstein bis 1463 im Besitz hatten. Im gedachten Jahr kaufte Werner von Zimmern von den Brüdern Hans und Marquard von Ramsperg Gutenstein mit dem Vogtrecht zu Menningen und Igelswies um die geringe Summe von 3000 fl. In dem verwickelten Handel derer von Zimmern mit den Werdenbergern nahm Hugo von Werdenberg mit der Herrschaft Behringen auch die Dörfer Gutenstein, Ablach und Gäggingen in Besitz und ließ sich von den Einwohnern huldigen. Daß Oestreich immer die Oberlehnsherrlichkeit über Gutenstein ansprach und ausübte, läßt sich durch mehrere freilich nicht viel bedeutende Urkunden nachweisen. Im Jahre 1681 belehnte Oestreich die Grafen von Schenk-Kastell mit Gutenstein nebst den Dörfern Altheim, Ablach und Engelswies. 1735 kaufte Graf Ernst von Schenk-Kastell noch die beiden Herrschaften Hausen und Stetten am kalten Markt von den Grafen von Fugger hinzu. Sein Sohn Willibald aber verkaufte diese beiden Herrschaften an das Reichsstift Salem um die Summe von 129,000 fl. 1806 verlor Oestreich die Oberlehnsherrlichkeit über Gutenstein, welches an Württemberg kam und 1811 an Baden. 1834 verkaufte Graf Ludwig Schenk von Kastell Schloß und Herrschaft Gutenstein um die Summe von 35000 fl. an den Grafen Ludwig von Langenstein, in dessen Besitz es sich jetzt noch befindet.