Zwei Wege führen den Wanderer den Berg hinan, ihren Thoren entgegen. Der eine von Beuron, welcher in der Mitte des Berges in die aus dem Thale heraufführende Steige ausmündet, der andere von Langenbrunnen her beginnt sogleich am Fuße des Berges und führt in einem erst vor einigen Jahren neuangelegten Fußsteig zwischen den Klippen, nahe an dem Felsen der die Burg trägt, auf die Höhe des Berges hinan.
Oben angekommen hemmt des Wanderers Schritte ein tiefer Graben, über welchen einst die Zugbrücke welche das Schloß mit dem Bergkamm verband, führte. Hinter diesem Graben erhebt sich eine etwa 10-12 Fuß dicke Mauer, so daß nur die Dachspitzen der hinter ihr liegenden Burg gesehen werden können.
Rechts und links dieser Mauer befinden sich starke runde Thürme, von welchen einst der rechte zur Wachstube der Besatzung und der linke zur Wohnung des Thorwarts diente. Hat man die erste Brücke hinter sich, so tritt man durch das erste Thor in den zweiten Vorhof, in welchem einst die Wirthschaftsgebäude und Stallungen sich befanden. Nun steht der Wanderer vor dem zweiten Schloßgraben, in dessen 70 Fuß haltende Tiefe man nur mit Grauen hinabblickt; über diesen Graben führte eine jetzt noch vorhandene Zugbrücke dem zweiten Thore zu, über welchem einige Schießscharten uns angähnen, uns an die Zeiten erinnernd, wo aus deren Rachen die Geschütze Tod und Verderben dem entgegenspieen, der es wagte, als Feind sich in die Nähe heran zu drängen. Hat man diese Brücke gleichfalls überschritten, so gelangt man in ein Gewölbe, welches durch eine 25-30 Fuß dicke Mauer in den eigentlichen Schloßhof führt. Dieses Gewölbe konnte einst mit einem eisernen Thore geschlossen werden, das weder durch Brecheisen, noch durch sonstige Gewaltmittel aus seinen Fugen gehoben werden konnte.
Der Schloßhof bildet ein regelmäßiges Viereck, in dessen Mitte sich die Cisterne befand, in welche das Regenwasser von sämmtlichen Dächern durch Rinnen geleitet wurde. Im weiten Hofraum befand sich außerdem ein großes Mehlmagazin und eine Tretmühle. Am südlichen Ende der Burg befindet sich die Bastei, welche ihre abgerundete Eckseite über 100 Fuß vom Boden des Grabens erhebt und in einem rechtwinkeligen Dreieck endet. Von diesem Punkte konnte man die ganze Gegend weit umher überschauen. Rechts an die Bastei lehnen sich die Gemächer des Festungs-Commandanten an, die jetzt noch theilweise mit freilich rohen Malereien geziert sind. Eines derselben bewohnte um 1550 lange Jahre Graf Gottfried von Zimmern, der seine Zeit mit Dichten und - Leimsieden vertrieb, verderblich genug für die Geschichte der Herrschaft und Umgebung, da er die ältesten Pergamente seines Archivs zu diesem Geschäfte verbrauchte.
An diese Gemächer stößt eine große mit Backsteinen gepflasterte Halle, die einst zum Zeughaus diente. Noch in den 80ger und 90ger Jahren befanden sich daselbst einige Kanonen, sowie eiserne und gläserne Geschützkugeln und andere Festungsrequisiten. Mitten an der innern Wand dieser Halle ist ein viereckiges Loch, gerade groß genug, um einen erwachsenen Menschen durchzulassen. Dieses Loch führt in ein etwa 12-15 Fuß tiefes und 8-10 Fuß breites Gewölbe, in welchem man das leider in keiner Ritterburg fehlende Verließ erkennt, wo den Unglücklichen immerwährende stumme todte Nacht umgab; denn weder ein freundlicher Sonnenstrahl noch der Ton eines lebenden Wesens drang in diese schauerliche Einsamkeit; nur das Rasseln der Kette, durch welche ihm täglich einmal die nothwendige Nahrung hinabgelassen wurde, mahnte ihn daran, daß er sich noch unter den Lebenden befinde.
Im östlichen Flügel der Burg befinden sich wieder einige hohe, weite, gewölbte Hallen, in die das Tageslicht durch die in den 15 Fuß dicken Mauern angebrachten Schießscharten nur spärlich eindringen konnte. Mitten in diesem Flügel befindet sich etwas von den übrigen Gebäuden vorspringend, die, wenn auch kleine, doch sehr schön in gothischem Styl erbaute Schloßkapelle, in welcher noch eine kleine Thurmuhr nebst einigen, zum Theil noch erhaltenen Kirchenparamenten sich befinden. Kostbare Gemälde von Hans Schäufelin wanderten aus derselben in die Fürstl. Fürstenbergische Gemäldesammlung zu Hüfingen.
Unter der Altarstufe befinden sich noch einige Treppen des geheimen Ganges, der durch den Felsen des Berges nahe an dem Ufer der Donau ausmündete.
Im nordwestlichen Flügel, als dem Hauptgebäude der Burg, wo jetzt die Wohnung des Schloßverwalters sich befindet, waren die Zimmer und Gemächer der Herrschaft, von wo aus man eine schöne Aussicht über den Heuberg bis hinüber zu dem heil. Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen genießt.
Die Zeit der Erbauung der Burg läßt sich nicht ermitteln; es wird behauptet, daß ein Seitenzweig der Herrn von Dietfurt-Nusplingen sie erbaut habe und sich nach ihrer wilden Umgebung die Wilden von Wildenstein nannte. Jedenfalls ist mit Gewißheit anzunehmen, daß dieses Geschlecht früh geblüht hatte, denn schon 940 finden wir Hatto von Wildenstein als Abt und Wiederhersteller des Klosters Büren oder Bussenbüren (Beuron), das kurz vorher durch die Hungarn zerstört worden war.
Wie lange das Geschlecht der Wildensteiner blühte und wie es um seine Stammburg kam, (noch 1280 kommt ein Anselm von Wildenstein vor) läßt sich nicht genau ermitteln. Im 14. Jahrhundert kam die Feste an die Pfalzgrafen am Rhein; von einem derselben, dem nachmaligen Kaiser Ruprecht erhielt sie sodann Johann von Zimmern zu Lehen. Nach Andern freilich soll sie Werner V. von Zimmern durch seine Gemahlin Brigitte von Gundelfingen mit andern Besitzungen zugebracht worden sein. Dessen Sohn Hans, der Lapp genannt, hatte noch einige Zeit mit Diesem und Jenem sich herum zu zanken, bis es ihm gelang sich in den ruhigen ungetheilten Besitz der Feste zu setzen.
Endlich in den vollen Besitz der Burg gelangt, war es seine Hauptsorge, dieselbe, die zum Theil in Trümmern lag, wieder neu und fest herzustellen; und ihm gebührt mit Recht der Ruhm der zweite Erbauer Wildensteins zu heißen. Sein Sohn Gottfried vollendete, was der Vater begonnen; insbesondere machte er sich darum verdient, die von seinem Vater in den Felsen ausgehauene tiefe Cisterne durch einen dauerhaften Kitt in brauchbareren Stand gesetzt zu haben.
Schon seit längerer Zeit stunden die Herren von Werdenberg-Sigmaringen mit denen von Zimmern in Zwist und Streitigkeit und suchten sie einander zu beschädigen, wie und wo sie konnten. Und um Gottfried von Zimmern einen rechten Streich zu spielen, suchte Hans von Werdenberg-Sigmaringen den Thorwart auf Wildenstein zu bestechen, ihm die Feste zu übergeben, was ihm auch bei dem verkäuflichen Thorwart gelang; derselbe versprach zu bestimmter Zeit die Thore der Burg zu öffnen, sowie auch die Brücken niederzulassen. Auf ein gegebenes Zeichen sprengten die Werdenbergischen Knechte, die sich in einem nahen Gehölz verborgen gehalten hatten, mit verhängtem Zügel der geöffneten Burg zu und waren schon bis in den zweiten Vorhof gedrungen, als noch zur rechten Zeit die Besatzung von dem Lärmen aufgeschreckt zu den Waffen griff und ihren Commandanten Hans von Stein an der Spitze, die Buschklepper muthig angriff und mit blutigen Köpfen dahin zurücktrieb, woher sie gekommen waren. Daß auch der Thorwart mitfloh, versteht sich von selbst, derselbe wurde zum Dank für den, wenn auch vereitelten Verrath an seinem Herrn im Kloster Laiz lebenslänglich versorgt.
Mit Bewilligung seiner Söhne verkaufte Gottfried sofort Burg und Herrschaft Wildenstein an Andreas von Sonnenberg um den geringen Preis von 4000 Goldgulden, jedoch mit dem Vorbehalt der Wiedereinlösung für sich und seine Nachkommen; kaum nach Verfluß von 6 Jahren machte er sein Recht geltend und zog seine Burg wieder an sich. Von dieser Zeit an blieb Wildenstein im ungestörten Besitz des Geschlechtes der Zimmern und bewährte sich als sicherer Schutz und Zufluchtsort für seine Besitzer. Selbst die Pest, der schwarze Tod genannt, die 1518 so verheerend durch ganz Deutschland zog, wagte sich nicht durch diese dicken Mauern, hinter welche sich Gottfried mit den Seinigen geflüchtet hatte, wo ein ganzes Jahr lang Niemand weder aus- noch eingelassen wurde. Auch im Bauernkrieg 1525 schützten diese Mauern ihren Herrn vor seinen rebellischen Unterthanen.
Beim Ableben des letzten Zimmern, Grafen Wilhelm (1594), kam Wildenstein an die Herren von Helfenstein, und als einige Jahre nachher dieses Geschlecht mit Wilhelm von Helfenstein ebenfalls erlosch, kam Wildenstein mit Mößkirch durch Verheiratung der Erbtochter des letzten Helfenstein mit Wratislaus von Fürstenberg an dieses Haus, welches jetzt noch in dessen Besitz ist.
Auch im 30jährigen Krieg spielte Wildenstein eine nicht unbedeutende Rolle. Am Sonntag den 10. August 1642 fiel Wildenstein durch List, oder wenn man es genau nehmen will, durch Verrath in die Hände der schwedischen Besatzung auf Hohentwiel. Am gedachten Tage machte der Commandant auf Wildenstein, Jakob Bürkle mit seiner ganzen Mannschaft bis auf einen Mann eine Wallfahrt nach Mößkirch, und der zurückgebliebene spazierte, seine Pfeife rauchend, sorglos vor der geöffneten Festung herum, indeß die von Hohentwiel herabgekommene Mannschaft, die sich bis zum Abzug der Besatzung hinter einem Misthaufen verborgen gehalten hatte, hervorbrach und sich des Wehrlosen und damit auch der Festung bemächtigte. Jedoch blieb sie nicht volle 4 Wochen im Besitz der Schweden, denn schon am 4. September kapitulierte die schwedische Besatzung gegen freien Abzug mit Sack und Pack, worauf Wildenstein von Bauern besetzt und erst nach geschlossenem Frieden an Fürstenberg zurückgegeben wurde.
Später wurde Wildenstein zu einem Fürstenbergischen Staatsgefängnis umgewandelt und, als 1806 Fürstenberg mediatisirt wurde, verlor es auch diesen Posten. Das Geschütz und Munition war schon längst aus Wildenstein entfernt und nach Donaueschingen geliefert worden.
Jetzt wird Wildenstein nur noch von einem Forstaufseher bewohnt, welcher bereitwillig, wie auch seine Frau, jeden Fremden in den Gemächern und Hallen der Burg herumführt.
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Wildenstein, vor 1829 |