Um doch noch einigen Absatz zu erhalten, entschloß ich mich auf Anrathen einiger Freunde, einige Strecken des Landes selber zu durchziehen. Ich schickte zu diesem Behuf einen Koffer voll meiner Büchlein nach Karlsruhe voraus, und einen Tornister voll derselben nahm ich selbst auf den Rücken. Meine Richtung nahm ich über Hechingen, Tübingen und Stuttgart. Allein schon in Hechingen war der Willkomm für den reisenden Troubadour nicht der beste, da eine hohe Person geruhte, mich aus dem Museum, das ich zu betreten gewagt hatte, als gemeinen Vagabunden hinausweisen zu lassen, ja sogar eine Ehrenbegleitung über die Grenze für mich in Aussicht stand. Ich kam zuvor, schnürte meinen Bündel, schüttelte den Staub von meinen Füßen und wanderte fürbaß der Musenstadt zu. Dort meldete ich mich bei einigen Herrn Professoren, allein dieselben hatten vor lauter Weisheit keine Zeit, sich mit dem fremden Sänger abzugeben. Ich mußte wieder abreisen, ohne nur ein einziges Exemplar abgesetzt zu haben, und setzte nun meine ganze Hoffnung auf Stuttgart. Kurz vorher hatte G. Pfizer im rheinischen Odeon einen Aufruf an alle deutschen Dichter zum Bunde erlassen. Diesem Bunde wollte ich beitreten und schrieb daher an alle in Stuttgart anwesenden Koryphäen des schwäbischen Parnasses. Allein von allen nahm nur Pfizer von mir Notiz, der sich wegen eines in seiner Familie eingetretenen Todesfalls entschuldigte, daß er mich nicht in Gesellschaften einführen und empfehlen könne. Ich erhielt nicht einmal meine Exemplare zurück, und als ich mich aufmachte, die gefeierten Herrn in ihren Wohnungen aufzusuchen, wurde ich überall abgewiesen mit dem Bescheid, daß man nicht zu Hause sei. Ich blickte mit wehmüthigem Lächeln an Schillers Standbild hinauf und wandte mich dem Thore zu, nachdem ich drei Tage lang erfolglos in den Straßen umhergeirrt war. - Indessen war meine Baarschaft auf zwei Gulden zusammengeschmolzen, und bis Karlsruhe hatte ich noch drei Tage zu marschiren. Ich mußte daher meine Uhr in Stuttgart im Versatz lassen. Das Uebelste aber war, daß ich kaum mehr gehen konnte, da mir mein Bruder die Reisestiefeln um einen halben Zoll zu kurz gemacht hatte. Wäre ich ein Handwerker gewesen, so hätte ich doch auf der Herberge mich ausruhen können. Aber der Dichter hat halt keine Herberge! - Am dritten Tag kam ich endlich nach Pforzheim, wo ich mich unter meinen Landsleuten geborgen wähnte. Aber in zwei Gasthöfen erhielt ich auf meine bescheidene Bitte nicht einmal ein Plätzchen zum Ausruhen, und in einem dritten wurde ich sogar mit Schimpfen von der Schwelle gejagt, weil man mich um mein Handwerk fragte und ich erklären mußte, daß ich keines verstehe. Ich mußte die Nacht im Walde zubringen; die blutenden Füße steckte ich in's Moos, aber der Nachtfrost ließ mich nicht schlafen. Mit der Morgendämmerung machte ich mich wieder auf den Weg und langte Abends bei befreundeten Seelen in Karlsruhe an, wo ich vor Erschöpfung drei Tage das Bett hüten mußte. Doch setzte setzte mich der Verschluß einiger Exemplare in den Stand, wenigstens meine Uhr in Stuttgart wieder einlösen zu können. - Nachdem ich mich ein wenig wieder erholt hatte, setzte ich meine Reise abwärts nach der Pfalz fort. Allein in Heidelberg erging mir's mir wie in Tübingen, und in Mannheim wäre mir's wie in Stuttgart gegangen, wenn ich nicht nach dem ersten unglücklichen Versuch wieder umgekehrt wäre. So kam ich denn in meiner Heimath so leer wieder an, wie ich ausgegangen war.
Beim genannten "Aufruf an alle deutschen Dichter zum Bunde" handelt es sich wahrscheinlich um das folgende Gedicht.
Gustav Pfizer:
Werbung.
Rheinisches Odeon, Jahrgang 3, 1840
Seiten 1 - 6
Der Dichter Anton Schlude
http://www.schlu.de/anton