Anton Schlude
Freiburg,
gedruckt bei Franz Xaver Wangler.
1856
Welch' ein Kunstwerk, welch' ein Bau!
Welcher Sinn hat ihn errichtet!
Wo ich weile, wo ich schau',
Steht mein Geist beinah' vernichtet.
Staunend blickt mein Aug' umher,
Sei's im Großen wie im Kleinen,
Keine Stelle find' ich leer,
Alles muß sich hier vereinen.
Ha! wie streben sie empor,
Diese schlanken, hohen Säulen!
Springen Thürmchen dort hervor,
Gleich den scharf gespitzten Pfeilen.
Nicht wahr, ja, es war doch schwer,
Solche Tempel aufzuführen;
Freilich gieng es jetzt nicht mehr,
Eure Städte so zu zieren.
Wißt ihr, was das Triebwerk war,
Welches Ervins Geist beseelte,
Als vor seine Blicke klar,
Sein gigant'scher Bau sich stellte?
War es ihm um Geldgewinn?
War's, damit sein Gut sich mehre?
Nein, es war sein frommer Sinn,
Denn es war zu Gottes Ehre.
Seht, ihr baut jetzt immerfort,
Aber was? - je nun - Fabriken,
Um in ihren Zellen dort,
Alles Höh're zu ersticken.
Gold und Materialismus
Sind jetzt eurer Künste Götzen;
Selbstsucht, kalter Egoismus
Muß nun eure Kunst ersetzen.
Wohl meint ihr den Kölner-Dom
Jetzt noch in den Stand zu bringen,
Ja, ihr meiselt d'ran herum,
Aber es will nichts gelingen.
Heute heißt's, uns fehlt das Geld,
Morgen heißt's, uns mangeln Steine,
Bis es einst heraus sich stellt,
"Aufgelöst sind die Vereine"!
Steine hättet ihr genug,
Aber ach, der Meister fehlet!
Der mit der Begeistrung Flug,
Andre, wie sich selbst beseelet.
Zürnet nicht, wenn ohne Scheu
Ich die Wahrheit wag' zu sagen,
Steht's ja doch dem Dichter frei,
Diese offen vorzutragen.
Gedichte von Anton Schlude
http://www.schlu.de/anton/