Anton Schlude
Freiburg,
gedruckt bei Franz Xaver Wangler.
1838
Schon sind entschwunden sechs und zwanzig volle Sommer,
Als ich in diesem Thal des Lebens Licht erblickt.
Dem Kind und auch dem Jüngling ward so mancher Kummer,
Und bitter, bitter hat mich vieles Leid gedrückt.
Schon sind die schönen Jugendjahre mir entschwunden,
Und wenig Freuden fand mein Herz darin.
Und kaum als ich des Lebens Frohgenuß empfunden,
So stürzten wieder Schmerzen doppelt auf mich hin.
Kein Vogel sang im Feld mir seine frohen Lieder,
Nur halb entzückte mich der Blumen Pracht.
Erkranket und geschwächt sah ich die meisten meiner Glieder,
Und schwer umhüllte mich des Schicksals dunkle Nacht.
Im grauen Nebel lag vor mir der Zukunft düst'rer Schleier,
Schon sah im Geiste ich als Bettler mich am Weg.
Und blickte auch die Sonne eine Zeit lang freier,
So riß der Sturm sie wieder, ach! so schnell hinweg.
Allein und einsam irrt' ich oft in dichtbelaubten Hainen,
Und klagte meine Noth dem harten grün bemosten Stein.
"So soll denn, rief ich ot mit düsterm Schmerz und Weinen,
Für mich auf dieser Erde keine Zufluchtstätte seyn?"
So lag ich einst in meinem düstern Gram verloren,
Und brütend schweifte weit umher mein trüber Blick;
"So bin ich denn, rief ich, zum Unglück ganz geboren,
Zeigt denn kein Stern mir einen Weg zu meinem Glück? -
Doch plötzlich rief mein Schutzgeist mir in höherm Tone:
"Erwache, denn Du hast nun lang genug geträumt.
Schau hin, fremd bleibt das Leiden keinem Erdensohne,
Steh' auf, erfülle, was du schon so lang versäumt!"
"Was ist es denn, fragt ich, was ich nun soll beginnen,
Wenn mir kein Stern den dunkeln Lebenspfad erhellt?
Wenn mir Zerrüttung droht an allen meinen Sinnen,
Und Unglück tausendfach sich mir entgegenstellt?"
"Blick auf, sprach er, ich will dir deine Laufbahn zeigen,
Dich leiten an einen Ort, wo's dir gewiß gefällt.
Laß ab von deinem Schmerz, er ist nur kleinen Seelen eigen,
Der Thor verzweifelt nur beim Schmerz, der ihn befällt!" -
Doch drückten bange Zweifel mich noch immer;
"Wird mir, dacht' ich, wohl auch mein Unterhalt gewährt? -
Was soll denn mir der Hoffnung heller Schimmer?
Kann ich dabei erhalten, was den Körper nährt?"
"Thor, sprach der Engel, der des Feldes Blumen kleidet,
Zu dem der junge Löw' um Speise brüllt,
Der dort das Lamm auf reichen Fluren weidet,
Ist er's nicht auch, der dein Bedürfniß stillt?"
Und bald darauf erschienen edle Menschenfreunde,
Und reichten mir mit treuem Brudersinn die Hand,
Und groß und unaussprechlich groß war meine Freude,
Da ich in ihnen meine Retter und Beschützer fand!
Verschwinden sollen nun der Nahrung bittre Sorgen,
Denn bald gesellte sich noch mancher Edle bei.
Und heiter wird mir nun der Zukunft düstrer Morgen,
Der dichte graue Schleier reißet sich entzwei.
O sprecht ihr theuren Freunde, sprecht, womit soll ich euch danken,
Was ist's, das eurer Wohlthat würdig ist?
Ich finde der Empfindung keine Schranken,
Die sich so unaufhaltsam meiner Brust ergießt! -
Dieß sey mein Dank, empor will ich mich schwingen,
Entsprechen der Erwartung, die ihr von mir hegt!
Durch Irrgewind' und Labyrinthe will ich dringen,
Enthüllen jenes Dunkel, welches mich noch deckt.
In kühnem Flug will ich durch Welten und durch Sonnen schweben,
Und bei dem Würmchen weilen, das im Staube lebt;
Ich will durch Lieder edler Menschen Thaten heben,
Und geißeln jeden Frevler, der im Innern bebt.
Auch ich bin noch von Tuiskon's altem Hermannsstamme,
Bleibt schon dem Arm des Körpers Kraft versagt.
Der Geist entreißt sich unaufhaltsam seinem Damme,
Da er im kühnsten Flug sich aufzuschwingen wagt.
Und Du, o Schutzgeist! wandle stets an meiner Seite,
Sey ferner mir mit Deiner unsichtbaren Hülfe nah',
Und warne mich, wenn ich vom rechten Pfade gleite.
Halt fern des Bösen Netz, das ich noch niemals sah.
Nimm meinen Dank hinauf zum großen Geist dort oben,
Erflehe mein und meiner theuren Gönner Wohl!
Kein Sturm soll je ihr edles Herz umtoben,
Ihr ganzes Leben sey von Gottes Segen voll!
Gedichte von Anton Schlude
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